Krisen überwinden

Krisen überwinden

Interview mit Dr. phil. Kristina Rohde

Jeder Mensch kann im Laufe seines Lebens in eine Krise geraten. Eine Krise kann ausgelöst werden durch besonders einschneidende Lebensereignisse oder belastende Lebenssituationen. Auch wenn sich vorbestehende psychische Erkrankungen verschlechtern, kann es zu Krisen kommen.

Frau Dr. phil. Kristina Rohde, Leitende Psychologin auf der Kriseninterventionsstation der Privatklinik Wyss, beantwortet Fragen rund um Krisen und deren Überwindung.

 
Was ist mit Krise gemeint?

Eine Krise ist ein Ausnahmezustand, in dem die eigenen Kräfte und Ressourcen nicht mehr ausreichen, um den Belastungen etwas entgegenzusetzen. Die Psyche ist aus dem Gleichgewicht geraten. Es können neben kreisenden Gedanken auch Schlafstörungen, Ängste, Dünnhäutigkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit bis hin zu Lebensmüdigkeit und Suizidgedanken auftreten. Manchmal kann eine Krise mit genug Zeit und Unterstützung aus dem Umfeld wieder überwunden werden. Wenn dies nicht gelingt, sollte professionelle Hilfe gesucht werden. Vor allem, wenn starke Hoffnungslosigkeit und Suizidgedanken auftauchen, sollte dies unverzüglich geschehen.


Was kann man selbst tun?

Für viele ist es hilfreich, mit einer vertrauten Person zu sprechen, um das eigene Erleben zu ordnen. Oft befürchten Menschen, die sich in einer Krise befinden, mit ihrem Problem ganz allein zu sein, und ziehen sich zurück. Es lohnt sich, trotzdem das Gespräch mit vertrauten Personen zu suchen. Vielleicht findet man so heraus, dass es schon einige Personen im Umfeld gab, die ebenfalls Krisen durchlebt und überwunden haben, und man kann die wertvolle Erfahrung machen, Unterstützung durch andere zu erhalten. Wichtig ist auch, sich körperlich zu regenerieren und für genug Bewegung, ausgewogenes Essen, körperliche Entspannung und Schlaf sowie Zeit draussen bei Tageslicht zu sorgen. Für die Psyche ist die Aktivierung von Ressourcen, also von persönlichen Stärken und Vorlieben, positiven Erinnerungen, Fähigkeiten und Talenten, wichtig. In Krisen sind manche Ressourcen schlechter zugänglich; daher kann externe Unterstützung hilfreich sein, um wieder einen Zugang zu Ressourcen zu finden. Es geht um kleine Schritte: Was kann ich jetzt tun, damit es mir rasch besser geht? Wodurch fühle ich mich in den nächsten Stunden oder Tagen besser? 

Wie sieht eine professionelle Behandlung aus? 

Die Behandlung bei akuten Krisen – auch Krisenintervention genannt – ist zeitlich begrenzt und fokussiert auf die aktuelle Situation. Im Gespräch mit ärztlichen, psychologischen oder pflegerischen Fachpersonen werden die inneren und die äusseren Auslöser der Krise identifiziert und Sofortmassnahmen zur Entlastung und Stabilisierung festgelegt. Zur inneren Stabilisierung werden Betroffene darin unterstützt, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und ihre Ressourcen zu aktivieren. Auch Medikamente können in einer akuten Krise hilfreich sein, um z.B. vorübergehend den Schlaf zu unterstützen. Oft ist auch eine Stabilisierung äusserer Faktoren wichtig, z.B. die Klärung der Wohn- oder Arbeitssituation, eine Entlastung in der Familie oder das Aufgleisen einer ambulanten Behandlung. 

Krise

Für viele Betroffene einer Krise ist es hilfreich, mit einer vertrauten Person
zu sprechen, um das eigene Erleben zu ordnen.