Mit speziellen Beratungsangebote für psychische Problemen reagieren Experten auf die Krise. Die Privatklinik Wyss richtete eine eigene Hotline ein. Christian Imboden, Ärztlicher Direktor schildert die Erfahrungen der letzten Monate.
finis: Dr. Imboden, die Coronakrise belastet sowohl Kranke als auch eigentlich gesunde Menschen. Die Privatklinik Wyss hat eine eigene Corona-Hotline eingerichtet. Melden sich bei Ihnen in erster Linie (frühere) Patient oder auch Personen, die bisher keinen Kontakt zu Ihrem Haus hatten?
Christian Imboden: Die Hotline wird nicht so häufig gebraucht, wie wir das zu Beginn dachten. Es kommen aber immer wieder Anfragen zu verschiedenen Themen rund um die COVID-Pandemie von ganz unterschiedlichen Menschen. Die Hotline funktioniert über eMail. Die Mails werden mehrmals täglich durch Psychologengesichtet und beantwortet. Dies kann auch in einem Telefongespräch resultieren.
Welche psychischen und psychiatrischen Probleme treten durch/mit der Corona-Pandemie (vermehrt) auf?
Bisher haben wir nicht den Eindruck, dass sich psychische Erkrankungen per se häufiger auftreten. Dies könnte aber – gemäss Daten von früheren Epidemien – deutlich verzögert der Fall sein, denn psychosoziale Probleme wie Arbeitslosigkeit treten ebenfalls verzögert auf. Über das Jahr verteilt haben wir dieses Jahr den Eindruck, dass wir im Vergleich zu anderen Erkrankungen etwas mehr Angststörungen beobachten.
Mit welchen Fragen wenden sich die Menschen an Sie?
Hauptthemen sind Sorgen um die Existenz, das Fehlen von Kontakten und Einsamkeit. Gerade Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen sind auf ein Helfernetz angewiesen, das derzeit nur bedingt funktioniert, was für diese Menschen den Alltag schwieriger gestaltet.
Verstärken die coronabedingten Einschränkungen die bestehenden Probleme bei Ihren Patienten?
Wir haben mehr den Eindruck, dass sich die Probleme auf Corona verschieben und dieses andere Themen überlagert. Diesen Befund hat ja gerade kürzlich auch das Schweizer Sorgenbarometer ergeben, was in den Tagesmedien zu lesen war.
Wie reagieren Patienten, für die ein ganz konkreter, stets gleichbleibender Tages-Rhythmus wichtig ist?
Das kann tatsächlich zu einer Belastung werden. Darum ist es gerade für Menschen die aktuell in Kurzarbeit sind oder Home-Office machen wichtig, sich eine tägliche Routine an zu gewöhnen.
Welchen Rat geben Sie grundsätzlich den Menschen für eine „gesunde Einstellung“ gegenüber der Coronapandemie?
Es hilft sicher, sich nicht andauernd mit dem Thema zu beschäftigen. So ist es beispielsweise ratsam, den Konsum von „News“ zu beschränken: Es ändert nichts an der Situation, wenn man sich täglich die neuen Fallzahlen anschaut. Wir sind in der Schweiz ja zudem in der glücklichen Lage, dass wir noch vieles dürfen, was in anderen Ländern nicht mehr geht. So kann man auch jetzt noch draussen aktiv sein, um Stress abzubauen oder sich mit wenigen aber nahestehenden Menschen auszutauschen. Dabei nicht immer nur über COVID zu sprechen ist ebenfalls hilfreich. Ganz wichtig ist es auch, die Situation zu relativieren. Wir haben zwar Einschränkungen, viel Positives und existenziell Wichtiges bleibt für uns aber erhalten. Des Weiteren wird auch diese Pandemie vorüber gehen und wir werden die alteneue Freiheit eventuell sogar mehr zu schätzen wissen.